S-Reisebericht Irland



September 2022


Aquarellieren in Irland mit Wilhelm Fikisz



Irland kenne ich von diversen Geschäftsreisen nach Dublin und Limerick. Man fliegt hin, sitzt in Meetings, isst Dinner, wird vielleicht sogar im Bunratty Castle zur Queen eines Abends gekürt und fliegt wieder nach Hause.


Sich mit Irland wirklich auseinander zu setzen, das Land intensiv zu ermalen, ist jedoch Neuland für mich, und ich freue mich riesig darauf.


Von Zürich aus fliegen wir zu fünft gemeinsam mit Willi nach Dublin und fahren von dort mit unserem kleinen Bus Richtung Süden nach Castlemaine, wo wir im gemütlichen Bed & Breakfast Murray’s Mountain View von unserer zauberhaften Gastgeberin Bernadette empfangen werden. Wir essen noch lecker zu Abend im „Anvil“ und mit großer Vorfreude auf unseren ersten Maltag schlafen wir ganz herrlich.


Nach reichhaltigem irischen Frühstück brechen wir auf zu unserem ersten Motiv. Mit der Fähre setzen wir über nach Valentia Island und fahren von Knightstown zum „Lighthouse“. Windzerzauste Bäume im Kirchgarten, meterhohe Fuchsien an den Straßenrändern, über uns ein grüner Tunnel aus Laub, durch den wir uns hindurchtasten. Der erste Blick aufs Motiv beeindruckt. Schroffe Felsplatten führen zum weißen Leuchtturm, der im gleißenden Sonnenlicht vor grünem Hintergrund strahlt.


Wir sitzen im Gras, breiten unsere Malsachen aus und lassen uns von Willi ins Motiv einführen. Wir sehen das Motiv nicht nur, wir fühlen es auch. Der Wind bläst ordentlich. Die Felsen, die zum Höhepunkt führen, erstrecken sich vor uns wie die Rippen einer bekannten Schweizer Schokolade. 


Es macht Spaß, hier zu malen, und es fühlt sich kostbar an, dem entstehenden Bild den ganzen Tag zu schenken. 


Äußerst zufrieden brechen wir am späten Nachmittag auf und sitzen in Waterville am Strand mit einem wohlverdienten Aperol Spritz, ehe es einen Sneak Peek auf unser nächstes Motiv gibt. 


Ladies’ View im Killarney National Park. Im warmen Abendlicht erstreckt sie sich vor uns. Wahnsinn!


Abendessen im Pub in Killarney mit Guinness und Fish & Chips oder einem Daily Roast in herrlicher Gravy. Es geht uns rundum gut. Sláinte!


Ladies‘ View allerdings erwartet uns am nächsten Morgen etwas ungehalten: es ist kühl und windig. Was Queen Victorias Hofdamen wohl zu diesem Wetter gesagt hätten? Nichts mehr von der lieblichen Stimmung des Vortags. Aber wir sind bestens vorbereitet. Ausstaffiert mit dicken Jacken und winddichten Hosen widmen wir uns unserem Motiv. Im Laufe des Tags beginnt die Sonne, unsere Rücken zu wärmen und macht sich auch im Licht unserer Bilder bemerkbar. Willi leitet uns einfühlsam an und malt wie immer mit. Für mich eines der vielen Highlights seiner Malreisen.


Großartig, wie das Motiv vor unseren Augen in der jeweils eigenen Handschrift entsteht.


Nach Lighthouse und Ladies‘ View geht es am dritten Tag, gestärkt von Bernadettes ausgiebigem Frühstück („Are you sure you only want a small portion?“), nach Dingle an den Hafen. 


Das Wetter ist wunderbar. Wir reihen uns am Kai auf wie die Schwimmer an den Fischernetzen hinter uns und malen einen Dialog zwischen rotem und blauem Boot, die träge vor uns im Hafen dümpeln. Rote Kisten voller Hummer zeugen von einem guten Fang. In der Nähe gibt es bei „Juice for Thought“ nicht nur Smoothies, sondern auch besten Kaffee und Sandwiches für unsere Mittagspause sowie zur Entspannung nach dem Malen die Shops der Strand Street. 


Tag vier unserer Reise bringt uns an die Westküste Irlands. Clare, here we come! Die Karstlandschaft des Burren-Nationalparks umrahmt grüne Wiesen und kleine Dörfer, überall Schafe und Rinder, Mäuerchen und Türmchen, weiß getünchte Cottages, dazwischen ab und an verfallende Gemäuer. Gelbgrün, goldgrün, maigrün, smaragdgrün, blaugrün, olivgrün – alle verbinden sich irgendwie zu „irischgrün“.


Es wäre ein herrliches Motiv, doch wir haben ein anderes im Sinn. Die atemberaubenden Cliffs of Moher; fast senkrecht steigen sie bis zu einer Höhe von über 200 Metern auf. Wir wissen, unser Malplatz liegt abseits vom Touristenstrom, aber Willi verrät ihn uns noch nicht. Wir finden einen freundlichen Bauern, der uns erlaubt, den Wagen am nächsten Tag bei ihm zu parken und steuern unser neues B & B an.


Hast du schon einmal in einem Haus gewohnt, dessen alte Mauern nicht nur Gäste, sondern auch eine Quelle beherbergen? Nein? Ich bis jetzt auch nicht. Aber jetzt schon. In „The Waters“ fließt uns süßestes Quellwasser quasi direkt in den Mund. Ein fast schon spiritueller Ort mit einer „Holy Well“. 


Es ist bereits der vorletzte Abend, aber wir freuen uns so auf die Cliffs, dass keine Traurigkeit aufkommt. Wir essen in Doolin und schauen am Strand dem Sonnenuntergang zu. Wunderbare Stille. 


Am nächsten Morgen kribbelt es in mir vor Freude. Wir wandern mit unseren Malsachen den Pfad zu den Klippen entlang. Es dauert ein bisschen. Noch sehen wir nur Wiesen und Weiden und den Atlantik. Plötzlich jedoch endet der Pfad auf einem grünen Plateau und zu unserer Linken erstreckt sich eine ganze Kette von Steilklippen mit einem kleinen vorgelagerten Felsennest. Unser Motiv! 


Es ist windstill. Es ist keine Wolke am Himmel. Es ist warm.


Es ist atemberaubend. 


Wir genießen diesen letzten Maltag in vollen Zügen. Der Pinsel bewegt sich heute besonders freudvoll übers Blatt. Langsam wandert die Sonne vom Land über die Klippen aufs Meer hinaus und lässt immer neue Farbtöne entstehen. Und mehr und mehr breitet sich weiß auf den Felsen – und auf unseren Bildern aus.

 

Es ist ein beglückender Maltag. 


Beim Abendessen sprechen wir darüber, wie so eine Reise gleichzeitig schnell und langsam vorübergeht. So viele Eindrücke, dass man meint, Wochen unterwegs gewesen zu sein. So viel Abwechslung, dass die Zeit verfliegt. 


Go raibh maith agat – Danke, lieber Willi!




Autorin: Stephanie Hartstang, im September 2022


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